Ich will Politik ohne Angst
Am Aschermittwoch ist angeblich alles vorbei. Am Aschermittwoch hat diesmal auch etwas begonnen: die Zeit nach Biberach. Eine Zeit, in der es offenbar neue Normalität ist, dass politisch engagierte Menschen mit körperlicher Gewalt rechnen müssen.
Grüne in Biberach haben Polizeischutz bekommen, als sie eine Woche später zur Info-Veranstaltung für Kommunalwahl-Kandidaten einluden. Das wollte die Polizei so, sicherheitshalber. Und nachdem Grüne in Amtzell bei Ravensburg ihre Gemeinderats-Wahlliste aufgestellt haben, ist ein Kandidat auf seinem eigenen Hof verprügelt worden. Man hat den Mann dabei als „grüne Fotze“ beschimpft.
Auch hier im Wahlkreis hat sich die Stimmung verändert. Einige Ortsverbände tun sich jetzt schwer, Tische oder Nebenzimmer in örtlichen Gaststätten zu mieten. Die Wirte sagen, sie wollen vermeiden, dass andere Gäste wegbleiben. Sie wollen keinen Streit.
Gewalt wird präsenter. Die Demokratie sucht ihre Fürsprecher und findet sie nicht überall. Und sie sucht nach ihrer Wehrhaftigkeit.
Ist dieser Gewalt-Trend denn so neu? Die Tendenz leider nicht. Die Bundesregierung hat in diesen Tagen veröffentlicht, wie viele Straftaten im Jahr 2023 verübt wurden gegen Repräsentanten oder Mitglieder von Parteien. Insgesamt waren es knapp 2800 Taten. Davon richteten sich 1219 gegen Grüne. Bei der AfD wurden 478 gezählt, bei der SPD 420, bei anderen Parteien weniger. Aber alle sind zu viel!
Schon seit einer Weile passiert etwas in der Gesellschaft, was niemand wollen kann, dem die Demokratie wichtig ist. Und ja, am Aschermittwoch wurde deutlich eine Grenze überschritten.
Um es mal klar zu sagen: Wir als Grüne sind aus Protestformen entstanden. Für uns, für mich gehören Proteste dazu, ebenso Diskussionen mit Leuten, die anderer Auffassung sind. Gewalt, Abschreckung und Einschüchterung hingegen halte ich nicht für legitime Formen der Meinungsäußerung. Das ist die Schwelle, ab der auch eine Demokratie nicht mehr funktioniert. Denn eine Demokratie kann nur ohne Angst gelingen. Oder soll man künftig mit Angst zu politischen Info-Terminen gehen?
Welche Art von Politik wollen wir? Für mich steht fest: Wir machen weiter Veranstaltungen. Wir werden weiter daran arbeiten, dass alle miteinander reden. Und dass wir in Gesprächen gute Lösungen finden.