Die Freude übers Zögern beim Heizen
Es wird Herbst. Man kriegt immer öfter Lust, die Heizung aufzudrehen. Vielleicht zögern manche neuerdings mit diesem Handgriff. Schließlich ist es erst ein Jahr her, dass es in Deutschland fast kein anderes Thema mehr gab: Putin hatte am Gashahn gedreht. Alle waren in Sorge, ob das Gas reicht und wie man über den Winter kommt.
Vor einem Jahr hatten wir Videokonferenzen, in denen wir darüber geschmunzelt haben, dass fast jede und jeder eine Wärmflasche auf dem Schoß hatte, unter der Wolldecke. Wer es in einem Büro bei 19 Grad aushielt, war die Heldin im Team.
Das ist – gefühlt – schon lange her. Jetzt, im Herbst 2023, sind die Gasspeicher fast voll. Zwar wissen wir nicht, wie kalt und lang der Winter wird und ob es doch nochmal eng wird. Experten geben weiterhin keine Entwarnung. Aber das mag kaum jemand hören. Mit den vollen Gasspeichern fühlen wir uns nicht mehr so erpressbar und ohnmächtig. Klimaschutz ist weniger hip. Die Themen in den Schlagzeilen sind nun andere. Auch die Preise zeigen sich gemäßigter. Also könnte man es sich im Handumdrehen wieder mollig machen.
Ich merke an mir selbst, dass ich zögere. Heizen oder nicht? Ich habe beschlossen, mich über dieses Zögern zu freuen. Ich finde es gut, dass wir letzten Winter Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt haben. Dass wir nachgedacht und andere Lösungen gefunden haben. Eine Wärmflasche auf dem Schoß ist schlau für alle, die beim Sitzen zum Frieren neigen. Schlauer, als das gesamte Büro um zwei, drei Grad stärker zu heizen. Wir haben dickere Decken gekauft. Wir haben die Kinder morgens gleich etwas wärmer angezogen. Und wir haben vorab überlegt, welche Räume wir an einzelnen Tagen nicht brauchen, und dort Heizung gespart.
Das Entscheidende für mich: Das alles hat sich letzten Winter nicht so sehr nach Verzicht oder Spaßbremsentum angefühlt. Es fühlte sich richtig an und sinnvoll. Man wusste, man trägt was bei. Warum sollte das diesen Winter anders sein?
Die meisten Vorzeichen sind noch dieselben. Der Klimawandel schreitet enorm voran. Die Gasvorräte unseres Planeten sind endlich. Energie ist teuer. Alles Geld, das man dafür ausgibt, kann man für nichts Sinnvolleres verwenden. Ich persönlich glaube, dass wir mit derselben Einstellung ans Thema Heizen herangehen sollten wie im vergangenen Winter. Wer weiß, vielleicht fallen uns noch weitere schlaue Tricks zum Energiesparen ein!