„Ein Quadratmeter Grün“: Am 15. Juni ist meine neue Veranstaltungsreihe gestartet. Mein erster Gast war der Europaabgeordnete Erik Marquardt, der Experte der Grünen für Flucht, Migration und Menschenrechte. Mit ihm habe ich mich über „Festung Europa?“ unterhalten. Rund 50 Interessierte waren in die Westspitze nach Tübingen gekommen. Sie haben viel Spannendes gehört und in kurzer Zeit auch einen enormen Überblick bekommen über die Pläne des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS).
Tatsächlich ist es denkbar kompliziert. Erik hat uns in die komplexen Gesetze, Verordnungen und Paragrafen eingeführt. In einer Power-Point-Präsentation sahen wir Videos von sogenannten Push-Backs, also dem unrechtmäßigen Zurückdrängen von Flüchtlingen an der EU-Außengrenzen. Außerdem hat er uns Bilder gezeigt aus dem vor knapp drei Jahren abgebrannten Flüchtlingslager in Moria. Ausgelegt ist das Lager für 4.000 Menschen. An dem Tag, als das Lager brannte, lebten dort allerdings 19.000. Das verdeutlicht, wie dramatisch die Lage vor Ort war. Erik nennt dieses Ereignis ein Symbol für das Scheitern der Idee der Außengrenzen.
Was vielleicht nicht allen präsent war: Aktuell halten sich die Zahlen der Geflüchteten in Grenzen, wenn man die Ukrainerinnen und Ukrainer ausklammert. Laut Erik wäre es gar kein Problem, sofern alle 27 EU-Staaten Menschen aufnehmen würden.
Und was bringt, was will das nun von der Europäischen Union (EU) verhandelte Abkommen? Es setzt bei den sicheren Drittstaaten an. Diese sollen ausgeweitet werden. Wer beispielsweise über Griechenland nach Europa kommt, könnte wieder dorthin abgeschoben werden. Doch viele der sicheren Drittstaaten nehmen Flüchtlinge nicht zurück. Das bedeutet: Die Genfer Flüchtlingskonvention gilt dann nicht mehr als Standard.
Eine weitere Änderung betrifft die Länder, aus denen die Geflüchteten stammen: Dort könnten bestimmte Regionen und Teilbereiche ausgenommen werden – so dass Geflüchtete von dort abgelehnt werden.
Die nächste Stellschraube des Abkommens sind die Haupttransitstaaten, über die der Großteil der Geflüchteten in die EU einreist. Sie sollen als sicher eingestuft werden. Danach wird es zulässig und legal, Schutzsuchende abzulehnen. Laut GEAS sollen außerdem Grenzverfahren erweitert werden. Auch das wird dazu führen, dass Flüchtlinge in großer Zahl an den EU-Außengrenzen abgewiesen werden.
Erik Marquardts Fazit zum Ende der Veranstaltung war alarmierend: „An den Außengrenzen werden Flüchtlinge schon jetzt systematisch entrechtet und entwürdigt.“ Er ist überzeugt: Mit dem nun ausgehandelten Abkommen wird Europa noch weiter zur „Festung“ ausgebaut. Er setzt sich vehement dafür ein, dass das Flüchtlingsabkommen in seiner jetzigen Fassung nicht verabschiedet wird. Ob wir noch etwas ändern können, scheint aktuell aber sehr fraglich.