Am 3. Juli war der zweite Termin meiner Veranstaltungsreihe „Ein Quadratmeter Grün“. Ich habe mit meinem Landtagskollegen Martin Grath diskutiert, dem Handwerkspolitischen Sprecher unserer Fraktion. Es ging ums Handwerk, genauer gesagt um die Fragestellung: Handwerk ohne Fachkräfte: Wie geht es weiter?
Wie es im Alltag so aussieht und was die aktuellen Herausforderungen sind, haben uns an dem Abend zwei Innungsmeister des Kreises Tübingen berichtet: Jan Baumgart aus Rottenburg, Innungsmeister der Zimmerleute und Vorstandsmitglied des als Genossenschaft organisierten Handwerksbetriebs die holzverbindung eG, und Benjamin Schaible aus Ammerbuch, Innungsmeister für Sanitär und Heizung, er ist Geschäftsführer von SFS Schaible GmbH.
Im Handwerk gibt es gerade mehrere große Themen: den Fachkräftemangel und die Frage, wie man die Energiewende in der Praxis umsetzen soll und wie Nachhaltigkeit gelingen kann. Schnell war zu spüren, das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG, auch bekannt als „Heizungsgesetz“) beschäftigt das Handwerk gerade sehr. Weil sich die Gesetze ändern, brauchen die Leute mehr Beratung, berichtete Benjamin Schaible. Gut zu beraten sei hier aber gar nicht so einfach: Es soll nun zwar möglichst überall eine kommunale Wärmeplanung geben, aber sie ist in vielen Gemeinden und Städten noch nicht beschlossen oder noch nicht konkret genug. Das macht es in der Praxis schwer, sinnvoll und rechtssicher zu beraten. Martin Grath konnte hier mit aktuellen Infos beschwichtigen. „Bei der heutigen Anhörung im Bundestag wurde auch das Handwerk gehört“, sagt er. „Das Gesetz kommt, und mit ihm auch die Rechtssicherheit.“
Beim Zimmerer Baumgart drängen andere Themen. Der Fachkräftemangel macht sich zunehmend bemerkbar, sagt er. Häuser, die nach dem Energiestandard KfW 40 gebaut werden oder entsprechend saniert werden sollen, sind aufwändig. Die Standards solcher Projekte sieht er als sehr hoch. Besondere Herausforderung in vielen Kommunen – auch Tübingen – sind aus seiner Sicht veraltete Stadtbildsatzungen. Obwohl es politisch ja eigentlich gewünscht ist, machen es diese Satzungen schwer, in bebauten Gebieten zu verdichten oder beispielsweise Gebäude aufzustocken. Genehmigungsverfahren dauern zu lange, beklagte Baumgart. Die Verantwortung der Teams in der Verwaltung sei hoch. Trotzdem wünsche er sich mehr Pragmatismus bei den Entscheidungen. Vereinfachte Genehmigungsverfahren sieht er dafür als gutes Instrument. Die Landtagsfraktion der Grünen hat für dieses Problem einen Vorschlag parat: Anträge, die sechs Monate unbeantwortet bleiben, gelten nach Fristende automatisch als bewilligt. Bisher würde Vieles von Kommune zu Kommune unterschiedlich behandelt, deshalb brauche es gemeinsame Standards, so Grath.
Zu erfahren war außerdem: Der Beruf einer Handwerkerin oder eines Handwerkers hat sich stark verändert, in vielen Rahmenbedingungen. Büroarbeit macht heute einen großen Teil der Arbeitszeit aus. Die individuelle Verantwortung ist gestiegen. Martin Grath sprach sich dafür aus, bei den Ausbildungsstätten auszubauen. Benjamin Schaible ergänzte eine weitere Forderung: Zukunftstechnologien sollten in den Ausbildungen mehr Raum einnehmen. In einem Punkt waren sich alle Podiumsgäste einig: Kooperationen zwischen verschiedenen Handwerksberufen werden immer wichtiger.
Und was kann man nun tun gegen den Mangel an Fachkräften? Baumgart und Schaible reagieren mit kreativen Mitteln. Die Azubis von SFS Schaible haben beispielsweise einen eigenen Instagram-Account, den sie regelmäßig bespielen. Schaible machte auch deutlich: Es ist gar nicht so, als würde es keine Azubis geben – im Gegenteil: Die Anzahl an Azubis und ausgebildeten Fachkräften steige seit Jahren. Aber der Bedarf sei einfach zu groß, reklamierte Schaible. Bei ihm im Betrieb kommen die meisten Auszubildenden aus dem direkten Umland. Und bis auf zwei haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits ihre Ausbildung im Hause Schaible absolviert. Anders funktioniert es bei der Genossenschaft holzverbindung: Das Team rekrutiert Fachkräfte aus der gesamten Bundesrepublik. Die meisten von ihnen haben ein Studium abgebrochen. Von Martin Grath kam der Hinweis: Der Fachkräftemangel ist auch deshalb so groß, weil das Handwerk in den ersten zwei Jahren nach der abgeschlossenen Ausbildung sieben von zehn Fachkräften verliere. Es müsse daher ein Fokus darauf liegen, die Ausgelernten zu halten.
Was also kann man tun, um Menschen stärker ans Handwerk, an den eigenen Betrieb zu binden? Jan Baumgart und seine Kollegen haben diese Frage vor einigen Jahren damit beantwortet, dass sie eine Genossenschaft gegründet haben. Bis dahin war es eine GmbH. Baumgart wagte den Schritt, gab Verantwortung ab und wurde vom Geschäftsführer zum gewählten Vorstandsvorsitzenden. Auch Benjamin Schaible setzt bei sich Anreize: Er hat die Vier-Tage-Woche eingeführt, flexible Arbeitszeiten, Jobrad, betriebliche Krankenzusatzversicherung und regelmäßige Teamevents.
Am Ende des Abends war klar: Unser Austausch ist nicht zu Ende. Wir bleiben in Kontakt und nehmen gern die Kritik und die guten Hinweise aus der Praxis mit nach Stuttgart.